
Schnappschuss 69: California wildfires
Aus dem neuen Schnappschuss: "Orange"
Flammen lodern, vernichten Natur und Häuser. Autos und Propantanks explodieren zu zischenden Feuerbällen. Mittendrin ist der Fotograf Josh Edelson: er riskiert alles, um beeindruckende und schockierende Szenen zu zeigen, die sich im Herzen von Waldbränden abspielen.
von Daniel Krug-Erdmann
Obwohl sie oft mitten im Wald beginnen, können sich Brände sehr schnell ausbreiten und ganze Stadtteile oder sogar ganze Städte überrollen. Die Bilder von Josh Edelson werfen ein Licht auf die mysteriösen und gefährlichen Phänomene, die Waldbrände mit sich bringen. Sie vermitteln Gefühle von Macht und Angst. Sie machen die Intensität dieser Brände sichtbar, das Leid, das sie verursachen, und wie wichtig der Kampf gegen den Klimawandel heute ist.
Josh Edelson berichtet uns, dass Waldbrände von Jahr zu Jahr intensiver und zerstörerischer werden. Immer höhere Temperaturen und längere Dürreperioden begünstigen eine schnelle Ausbreitung. Versicherungsgesellschaften kündigen ihre Policen wegen des erhöhten Risikos, was für Hausbesitzer in Waldnähe zur wirtschaftlichen Katastrophe werden kann. Aber es sind nicht nur Wälder betroffen, selbst manch baumlose Wohnviertel sind vollständig niedergebrannt. Die Flammen können bis zu einer ganzen Meile vom Hauptfeuer entfernt auftauchen und von Haus zu Haus springen, so dass sich niemand wirklich sicher fühlen kann. Jedes Jahr sterben unzählige Menschen. Schutzlos ausgeliefert ist auch die Natur. Tiere verenden, und das ist besonders bedauerlich, wenn man bedenkt, dass viele Feuer durch Brandstiftung oder menschliche Unachtsamkeit verursacht werden - nämlich 90 %. Gerade hier helfen Josh Edelsons Bilder die Menschen für einen achtsameren und verantwortungsvolleren Umgang mit Feuer zu sensibilisieren.

Josh Edelson ist freiberuflicher Fotograf und arbeitet regelmäßig mit internationalen Nachrichtensendern und Zeitungen wie Agence France-Presse (AFP), The Associated Press (AP), The Wall Street Journal zusammen. Er sagt, seine Passion sei die Berichterstattung über Naturkatastrophen. Es reizt ihn Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkane, Wirbelstürme und natürlich Waldbrände zu dokumentieren. Er stand auf einem 4.000 Meter Gipfel, um einen ausbrechenden Vulkan in Guatemala zu fotografieren, stand in hüfthohem Wasser, als Häuser überflutet wurden, und flog in verschiedenen Flugzeugen, um Dürren aus der Luft zu dokumentieren. Neben der Katastrophenfotografie ist Josh Edelson auch als Businessfotograf tätig und fotografiert Veranstaltungen, Portraits und sogar Lifestyleszenen im Büro für große Unternehmen wie Apple, Google und Amazon. Er hat Dutzende von Präsidenten, ausländischen Würdenträgern und milliardenschweren CEOs fotografiert und ist dabei, ein Fotografie-Coaching für angehende Unternehmensfotografen aufzubauen. Edelson sagt, er habe ein perfekt abgestimmtes System entwickelt, das es ihm ermöglicht, mit Unternehmensfotografie viel Geld zu verdienen und gleichzeitig leidenschaftliche Projekte zu verfolgen. "Die Vorstellung, dass alle Fotografen hungernde Künstler sind, ist ein Mythos", sagt er. „Ich werde Online-Kurse anbieten, bei denen jeder leidenschaftliche Fotograf seinen langweiligen Tagesjob aufgeben kann, um die Businessfotografie zu meistern. Mit dem richtigen Mentor lässt sich in dieser Branche gutes Geld verdienen." Sein Hauptaugenmerk bleiben aber die Waldbrandfotos, mit denen er vor allem etwas bewegen möchte.
Joshs Erfahrungsschatz hilft ihm, die Gefahren bei Waldbränden zu minimieren. Er lebt oft tagelang in seinem Auto, schläft dort bei laufendem Motor und mit Kohlenmonoxid-Detektor, arbeitet manchmal bis zu 36 Stunden ohne Pause. Er studiert permanent Wetterdaten und das Gelände, um sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu befinden. Er hört den Feuerwehrleuten über Funk zu und kommuniziert per Walkie Talkie mit anderen Fotografen. Erst dann entscheidet er, ob er sich in das flammende Inferno begibt oder nicht. Wenn ja, packt der Fotograf seine gesamte Ausrüstung ein, darunter einen feuerfesten Anzug, einen Helm, eine Schutzbrille, Stiefel, einen Feuerschutz und die meisten anderen Dinge, die Feuerwehrleute nutzen. Ausreichend Essen, Wasser und sogar eine Kettensäge dürfen auch nicht fehlen. Er muss auf alles achten: Drohen Bäume umzustürzen, steht man den Feuerwehrleuten nicht im Weg, wie wird sich das Feuer entwickeln und wie schnell sind Häuser etc. komplett zerstört? Manchmal dauert das lediglich 20 Minuten.

In einem Interview berichtete er von einer beängstigenden Szene im Zuge des Dixie Fires. Er schätzt, dass die Flammen weit über 50 Meter hoch schlugen. Es bildete sich eine riesige Flammenwand vor ihm, die ihm plötzlich den Durchgang versperrte. Doch als er sich umdrehte, wurde ihm auch dort der Weg abgeschnitten. Er hatte großes Glück und es irgendwie doch herausgeschafft.
In diesen Situationen funktioniert Josh einfach nur. "Die Kamera ist wie ein emotionaler Schutzschild für mich. Ich konzentriere mich nur darauf, die richtige Aufnahme zu machen und meinen Job zu erledigen. Ich realisiere und verarbeite das Erlebte erst später, wenn ich nach Hause komme.", sagt er. Noch Tage später findet er sich an Orten wie einem zufälligen Einkaufszentrum wieder und stellt sich vor, wie die Gebäude um ihn herum in Flammen stehen. Sein Gehirn und seine Gedanken bleiben noch lange bei den Bränden. Er nennt das „Feuerhirn“. Erst nach ein paar Tagen schafft er es sich völlig zu entspannen und vollkommen auf seine Familie einzulassen.
Bei dem Dixie Fire war er zufällig eine Woche vorher in Greenville, welches später vollständig abbrannte, als sich der Himmel komplett verdunkelte. Ohne zu ahnen, dass das Feuer schließlich die Stadt einnehmen würde, machte er einige Fotos von dem bizarren roten Himmelseffekt. Später sollte sich herausstellen, dass diese Fotos die Grundlage für einige schockierende Vorher-Nachher-Vergleiche waren. Es ist unfassbar, wie eine wunderschöne Stadt komplett zerstört, teils zweistöckige Gebäude vernichtet wurden und nichts davon übrig blieb. Besonders die Nachher-Bilder waren gar nicht so leicht aufzunehmen, da fast alle Wahrzeichen fehlten und Josh kaum wusste, in welcher Straße er sich befand.


Die Aufnahme seiner Fotos bringt manchmal komplizierte ethische Probleme mit sich. Als Josh beispielsweise über das Camp Fire in Paradise berichtete - den tödlichsten Waldbrand in der Geschichte Kaliforniens - stieß er auf eine Szene mit einer Leiche. Er rang mit sich, ob er die Fotos veröffentlichen sollte oder nicht. Seine Redakteure gaben ihm zwar grünes Licht, aber er war im Zwiespalt zwischen größtmöglicher Öffentlichkeitswirkung und der entmutigenden Tatsache, dass ein Familienmitglied einen geliebten Mensch als Leiche in der Zeitung sieht.
Josh erzählt uns weiter: "Ich stoße auch oft auf Szenen mit toten Tieren und muss abwägen, ob die emotionale Belastung durch die Veröffentlichung eines toten Haustieres ein Preis ist, den man in Kauf nimmt, um die Wirkung einer Geschichte zu maximieren, die der Öffentlichkeit zeigt, wie gefährlich ein Waldbrand ist." Er erklärt weiter, dass dies einerseits extrem beunruhigend, andererseits aber auch ein schockierender Anreiz sein kann, mehr für den Klimaschutz und den Erhalt unseres Planeten zu tun.
Neben Bildern von den Feuern selbst, nimmt Josh auch Betroffene auf. Er dokumentiert, wie Menschen über Nacht obdachlos werden oder zeigt die Reise jener, die in ihre zerstörten Häuser zurückkehren. Bepackt lediglich mit dem Nötigsten, das sie retten konnten und zum Überleben brauchen. "Das sind besonders emotionale Szenen, die einen sensiblen Umgang mit den Opfern selbst erfordern." sagt er. Das Festhalten der Geschichten der Betroffenen rundet seine journalistische Arbeit ab. So werden die Betrachtenden persönlich berührt und fühlen sich angesprochen, nach dem Motto: „Oh, das könnte ich sein.“ Dabei ist es natürlich sehr wichtig, dass er nicht zu aufdringlich ist und aus angebrachter Distanz fotografiert, meist mit Hilfe eines Blickkontaktes, der ihm ein OK signalisiert. Dafür ist er dankbar, denn so gelingen ihm Aufnahmen, die besonders emotional sind und zum Nachdenken anregen.
Immer wieder macht er auch Aufnahmen von den Feuerwehrleuten, die wahre Helden sind. Primär versuchen sie Leben zu retten. Nur wenn Zeit ist, retten sie noch Eigentum. Sie riskieren ihr eigenes Leben, um andere zu schützen und ihnen gebührt größter Respekt!

Die Bilder von Josh Edelson zeigen in besonders dramatischer Weise die Folgen des Klimawandels. Denn Waldbrände werden immer extremer, häufiger und problematischer. Nicht nur in Kalifornien, sondern weltweit und auch in bisher eigentlich ungefährdeten Regionen. Deshalb ist es umso wichtiger, gerade im Umgang mit Feuer besondere Vorsicht walten zu lassen, um wenigstens einige von ihnen verhindern zu können.
weitere Infos und mehr Werke des Künstlers:
Mehr zu Josh Edelson:
www.edelsonphotography.com
Instagram: @joshedelsonphotography
www.facebook.com/josh.edelson
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