
Schnappschuss 69: Die goldene Stunde
Aus dem neuen Schnappschuss: "Orange"
Das für viele schönste Licht des Tages strahlt während der goldenen Stunde. Kurz bevor die Sonne unter- oder nachdem sie aufgegangen ist, sind viele Fotografiebegeisterte besonders aktiv. So auch Naro.
Daniel Krug im Interview mit Naro
Die goldene Stunde beschreibt die Zeitspanne kurz vor Sonnenunter- bzw. kurz nach Sonnenaufgang. Je nach Jahreszeit und geografischer Lage ist diese Zeitspanne länger oder kürzer. Viele Fotografinnen und Fotografen lieben genau dann das warme und weiche Licht, das den Bildern einen besonderen Look gibt.
Naro ist leidenschaftlicher Fotograf durch und durch. Bereits in unserer Schnappschuss-Sonderausgabe „Blau“ berichtete er über die blaue Stunde. Inzwischen hat er sein fotografisches Repertoire erweitert und probiert stets neue Dinge aus, um sich weiterzuentwickeln. So hat er seine Klaviatur mit der goldenen Stunde und dem besonderen Licht verfeinert, wie er uns schreibt. Ebenfalls versucht er sich im Bereich des Filmens oder in der analogen Fotografie. Letzteres, um bewusster an Motiv und Lichtverhältnisse heranzugehen. Viele Erfahrungen aus der analogen Arbeitsweise hat er mittlerweile für die digitale Fotografie verinnerlicht. Wir freuen uns, dass er für den Schnappschuss ein paar Fragen beantwortet hat.



Was fasziniert dich an der goldenen Stunde?
Ganz klar das Licht. Das Besondere an der goldenen Stunde ist die Lichtstimmung, die die tiefstehende Sonne dabei erzeugt. Schatten werden langgezogen, der Kontrast zwischen Hell und Dunkel wird stärker und dadurch entstehen ganz andere Bildwirkungen, die die jeweiligen Motive ganz andere Geschichten erzählen lassen. Ich nutze während der goldenen Stunde sehr gerne das Gegenlicht, so dass die Menschen oder einzelne Objekte im Bild als Silhouetten abstrahiert und Teil der Szenerie mit dem Licht werden. Und wie wir Fotografen wissen, ist das Licht alles.
Was macht für dich den Unterschied zur blauen Stunde aus?
Der große Unterschied ist, dass man bestimmte Situationen und Motive anders in Szene setzen kann. Das Licht kann hier beispielsweise auch als Spotlight betrachtet und auf bestimmte Teile des Bildes gerichtet werden. Somit wird der Blick des Betrachters gelenkt. Das ist ganz anders als in der blauen Stunde, die im Grunde unabhängig vom Wetter fast immer funktioniert. Das ist leider bei der goldenen Stunde nicht der Fall, bei der es schon ein wenig Glück bedarf, dass sich die Sonne auch zeigt.
Worauf achtest du bei der Aufnahme und wie gehst du vor?
Bei den Aufnahmen habe ich oft schon eine gewisse Idee, wie ich sie gestalten möchte. Oft sehe ich eine Straße oder ein Motiv und stelle mir vor, wie sie zu bestimmten Zeiten mit dem entsprechenden Licht aussehen könnte. Teilweise warte ich sogar ziemlich lange auf die passende Jahreszeit und schaue in verschiedene Apps, wann dort die Sonne scheint. Und wenn dann der Sonnenstand perfekt ist, versuche ich die eine oder andere Szene einzufangen.
Welche Tipps hast du?
Bei Gegenlichtaufnahmen kommt man oft an Grenzen. Einerseits soll das Licht der Sonne eingefangen werden, andererseits das Motiv nicht komplett im Dunkeln verschwinden. In der digitalen Fotografie lässt sich heutzutage zum Glück mit den entsprechenden Kameras und Sensoren vieles aus den RAW-Dateien herausholen. Diese sollten aber dennoch genügend Reserven im Dynamikumfang haben. Hierbei hilft es, das Foto etwas dunkler zu belichten, da man aus den dunkleren Bereichen mehr herausholen kann als aus den hellen. Ich persönlich habe mir angewöhnt die Fotos etwa eine 2/3 Blende zu unterbelichten.
Fotografierst du zu speziellen Jahreszeiten?
Ich fotografiere zu jeder Jahreszeit gerne, da jede für sich ihren eigenen Charme hat. Und wie bereits beschrieben, orientiere ich mich stark am Sonnenverlauf und beobachte, wo die Sonne je nach Motiv auf- bzw. untergeht. Im Winter hat es den Vorteil, dass man nicht allzu früh aufstehen muss, um den Sonnenaufgang und die dazugehörige goldene Stunde zu erwischen. Beim Sommer ist es wiederum schön den späten Sonnenuntergang zu nutzen, um locker nach Feierabend unterwegs sein zu können.
Bearbeitest du deine Bilder nach?
Ja, ich bearbeite meine Fotos schon so, dass es zu der jeweiligen Stimmung passt, die ich für das jeweilige Motiv im Sinn habe. Oft nehme ich die Spitzlichter zurück, um die Kontur der Sonne zu sehen, wenn es zum Bild passt. Manchmal nehme ich aber auch einen Mist-Filter, mit dem das Licht einen gewissen Glow-Effekt bekommt und der das Licht weichzeichnet. Oft verstärke ich noch die Hell-Dunkel-Kontraste, um die Wirkung des Lichts imposanter zu bekommen. Denn je dunkler die Umgebung ist, desto heller erscheint einem das Licht. Dunkle Bereiche, zum Beispiel am Rand, nutze ich gerne als eine Art Rahmen für die jeweiligen Motive.

Inzwischen machst du auch einige Videos, richtig?
Mittlerweile filme ich auch sehr gerne mit meiner Kamera, seitdem es leicht geworden ist, damit Videos aufzunehmen und sie zu bearbeiten. Die Videografie ist ein Bereich, den ich total spannend und herausfordernd finde. Ich sehe da viele Parallelen zur Fotografie. Man muss ein spannendes oder manchmal auch nur ein einfach schönes Motiv haben oder eine Geschichte erzählen. Man nutzt dazu die jeweilige Lichtsituation und kann durch die Blende mit der Tiefenschärfe spielen. Der Unterschied beim Filmen liegt nur darin, dass Bewegung hinzukommt. Vor allem habe ich in der Videografie gelernt, dass Bewegung das Wichtigste ist. Wenn es nicht das Motiv ist, dann muss sich die Kamera bewegen.
Was sollte noch erwähnt werden?
Wie beim letzten Mal, stehe ich weiterhin hinter der alten Weisheit, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Man muss einfach die Kamera einpacken und losziehen. Hierbei ist der erste Schritt oft der schwierigste und es bedarf Überwindung aus der eigenen Komfortzone herauszukommen. Mir hat es zusätzlich geholfen bei Reisen bestimmte Motive als Ziel zu setzen, aber auch offen zu sein Neues auszuprobieren. Vor allem auch zu ungewöhnlichen Uhrzeiten loszuziehen, wie zum Sonnenaufgang und der goldenen Stunde am Morgen. Die Stadt ist leer und kann für sich ganz allein neu entdeckt werden.
weitere Infos und mehr Werke des Künstlers:
Naro
Instagram:
@naro.berlino
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