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Meine Kamera & Ich - Thomas Stelzmann

Aus dem Magazin Schnappschuss No. 52

Meine Kamera & Ich

Der passionierte Fotograf aus Düsseldorf erklärt uns, was es mit einem Regal in seinem Studio auf sich hat und wie Bilder klingen.

von Thomas Stelzmann

Meine Kamera und Ich - Stelzmann

Graues Plastik, ein roter Knopf und Bilder im Kopf Jedes Mal, wenn ich die Tür zum Studio aufschließe und Richtung Equipmentlager gehe, laufe ich an diesem
Riesenregal aus dem schwedischen Möbelhaus vorbei und sehe „sie“ dort liegen.
Zweite Reihe von oben, mittleres Fach, das ist „ihr“ Platz.
Meine erste eigene Kamera.
Eine einfache, unverwüstliche Minolta Kleinbildkamera aus grauem Kunststoff mit einer 35mm Linse, mit festem
Fokus und einem großen roten Knopf zum Auslösen. Sie war ein Weihnachtsgeschenk, unmittelbar vor der lang ersehnten Skifreizeit in der achten Klasse des Gymnasiums. Joch Grimm, Südtirol. Der große Knopf war ideal, weil man ihn auch mit Skihandschuhen traf.
In den 24 anderen Fächern unseres Kameraregals liegen dagegen wirklich schöne alte Kameras. Agfa, Voigtländer, ADOX, Zeiss-Ikon, Robot. Allesamt wunderschön, nach Leder und Öl riechend, alle funktionsfähig und auch in Gebrauch. Aber diese einfache Plastikkamera mit dem roten Knopf ist etwas besonderes, weil sie etwas kann, was seltsamerweise keine andere ihrer „Nachbarinnen“ aus dem Regal bisher geschafft hat und auch vermutlich nicht schaffen wird: Sie macht bestimmte Geräusche, wenn man mit ihr arbeitet, und diese Geräusche rufen Bilder hervor. Nicht nur auf Film, sondern in meinem Kopf, meiner Erinnerung.
Der laute Filmtransport, an dem man immer hören konnte, wann die Batterien schlappmachen würden. Manchmal hat man gebetet, dass der kleine, kreischende Motor das Zurückspulen noch schaffen möge.
Was hätte man tun sollen, wenn es nicht mehr vor oder zurück gegangen wäre? Hat komischerweise
immer geklappt, egal, wie schwach die Batterien waren.

Meine Kamera und Ich - Stelzmann

Dann das Fiepen, wenn sich der Blitz auflud. Der Ton wurde so hoch, bis man ihn nicht mehr hören konnte. Endlich signalisierte die rote Glimmlampe, dass der Blitz bereit sei und man wieder loslegen konnte.
Wenn ich diese Geräusche höre, denke ich an Berge, Schnee, Schulkameraden und -kameradinnen, den Geruch von frischgewachsten Skiern und abgerissenen Sitzstangen vom Sessellift.
Von diesen ersten Berührungspunkten mit der Fotografie bis hin zu meiner heutigen Tätigkeit als Berufsfotograf waren sie immer da, die Geräusche der Fotografie, die für mich stets eine Bedeutung hatten und auch heute noch haben. Denn mit den Werkzeugen der Fotografie
ist es wie mit meinen fotografischen Hauptmotiven, den Menschen – es gibt leise Vertreter, normale Zeitgenossen, und es gibt laute, poltrige Typen.
Leise Menschen spielen sich nicht in den Vordergrund, man bemerkt sie oft gar nicht, und trotzdem sind sie da. Sie beobachten, nehmen genau Notiz, aber kaum Einfluss, und wenn sie sprechen, hört man ihnen konzentriert zu. Dazu passend gibt es entsprechende Kameras, die einem
völlig unterschiedliche Arbeitsweisen ermöglichen.
Dezentes „Rumzicken“
Die Streetfotografie erfordert unaufälliges Handeln. Es geht darum, zu beobachten. Nicht zu beeinflussen. Weder die Szenerie an sich, noch die Menschen darin. Streetfotografie ist Realitätsvoyeurismus, und der Voyeurist muss sich im Hintergrund halten, um agieren zu können. Große und schwere Kameras kann man hier nicht brauchen.

Nicht umsonst waren die Leica-Messsucher-Kameras die Streetfotografie- und Reportagekameras schlechthin. Sie waren relativ klein, kompakt, hatten kleine Objektive und sie waren vor allem extrem leise.
Das „Zick“ eines Leica-Verschlusses verriet einen nicht und störte niemanden, oft wurde es gar nicht erst
wahrgenommen, auch nicht, wenn es still war um den Fotografen. Es erinnerte ein bisschen an das Klicken
eines Kugelschreibers, wenn man die Mine herausdrückt.
Niemand nimmt davon Notiz.
Da mir das nötige Kleingeld für eine Leica fehlt und ich auch nicht abschätzen kann, wie hoch der „Mythosaufschlag“ auf den Kaufpreis ist, habe ich nach einer Kamera gesucht, die meine Begleiterin für das Sujet der Street- und Reportagefotografie werden sollte – „Meine Leica“.
Gefunden habe ich nach langem Suchen die spiegellose Fujifilm X-E1.
Ihre analoge, aufgeräumte Bedienweise (Stellrad für Belichtungszeiten an der Kamera und Blendenverstellring
am Objektiv) wird begleitet von einer phantastischen Geräuscharmut, die das Arbeiten in der Unaufälligkeit
möglich macht.
Der Fotograf kann sich auf den Platz besinnen, auf den er gehört: den hinter der Kamera.
Diese Kamera ist fast nicht anwesend: Streetfotografie, Bilder machen während Vorträgen, Lesungen oder in
Museen ist kein Problem. Die Bildqualität liegt auf Höhe von Vollformat-DSLRs, die Optiken sind hochwertig und
wie die Kamera, sehr kompakt. Deshalb habe ich sie fast immer dabei.
Die beiden größten Schwächen, der etwas schwerfällige Autofokus und den trägen elektronischen Sucher, hat
Fujifilm mit dem Nachfolger, der E2, abgestellt. Die hervorragenden Optiken wie das 23mm F1.4 (entspricht
35mm und ist ideal für nahe „Mittendrinreportage“ bei schlechtem Licht) oder das 56mm F2.0 (entspricht 84mm,
eine gute Portraitbrennweite) sind geblieben.
Die Kamera wirkt darüber hinaus Menschen gegenüber, die nicht oft und oder nicht gerne fotografiert werden,
nicht so furchteinflössend präsent wie manche DSLR-Monster, die von manchen Hobbyfotografen gleich einer
Trophäe herumgetragen werden.

Die E1 und deren Nachfolger ist also eine leise Kamera für Menschen, die ebenfalls leise sind, wenn es darauf ankommt, und dem Motiv den Raum lassen, der ihm gebührt.
Klappern gehört zum Handwerk
Geräuschmäßig ganz anders unterwegs ist mein Arbeitstier, die Canon EOS 5D Mk. II.
Alle Fotoprojekte habe ich mit dieser Kamera gemacht. Sie ist robust und frei von überflüssigem Firlefanz.
Man könnte auch sagen: Sie ist in die Jahre gekommen. Vor allem aber macht sie durch ihren Spiegelschlag klar: „Jetzt werden Bilder gemacht.“
Wenn sie zum Einsatz kommt, ist Zurückhaltung kein Thema. Bei den Begegnungen, zu denen ich die
kiloschwere Vollformatausrüstung mitnehme, steht von vorne herein fest, um was es geht.
Dazu gehören Modeaufnahmen in Städten wie z.B. Paris. Dort ist es fast egal, wie laut oder leise eine Kamera ist, alles geht in der Geräuschkulisse dieser Metropole unter. Hier fühlt sich niemand gestört durch das Geräusch der Kamera, im Gegenteil: Man stelle sich ein Fotoshooting ohne Auslösegeräusch vor. Der Spiegelschlag ist für die Models und Assistenten das Signal, dass jetzt Konzentration gefragt ist, eine Art Startschuss für das Treffen, um das es geht, und für das, was passieren mag.
Noch einmal ganz andere Lautstärken gewohnt sind die Protagonisten des Projektes „KEINE KOHLE MEHR“,
welches ich zusammen mit meinem Kollegen Wolf R. Ussler seit fast vier Jahren durchführe. Wir holen ehemalige Bergleute an ihren einstigen Arbeitsplatz zurück und inszenieren dort einen Teil ihrer Lebensgeschichte. Noch dauert das Projekt an. Die ersten Ausstellungen laufen bereits, Ziel ist ein Bildband über und mit den Zeitzeugen der wichtigsten Epoche des Ruhrgebietes.

Bis auf ein Motiv wurden alle Bilder mit der 5D Mk. II gemacht. Die Locations der ehemaligen Zechengeländen des Ruhrgebietes sind oft staubig, schmutzig oder nass. Hier muss Ausrüstung funktionieren, man muss sich auf die Kamera verlassen können, da die Bilder nicht wiederholbar sind. Es zählt Robustheit, Ausdauer und Bildqualität. Der Rest wie W-LAN, GPS oder anderen Firlefanz könnte für mich unwichtiger nicht sein. Die 5D Mk II verkörpert aufgrund ihres Alters fotografische Reduktion und Einfachheit. Die abgedichteten L-Optiken haben ein Vermögen gekostet, bilden aber zusammen
mit der Kamera ein verlässliches und schmutzresistentes Team in Sachen Bildqualität.
Das vernehmliche Spiegelklappern stört hier niemanden, die ausnahmslos männlichen Protagonisten sind hart im Nehmen und lassen sich, wie damals in ihrem Beruf, nie aus der Ruhe bringen, wenn es darauf ankommt.
Mein Kollege Wolf macht seine Bilder für das Projekt mit seiner Nikonausrüstung. Nicht nur seine Bilder „klingen“ etwas anders als jene aus meiner Canon, auch seine Nikon klingt deutlich anders. Es gibt sie, die akustische Vielfalt in der Fotografie.
Die anderen
Die anderen Bewohner des Kameraregals unterscheiden sich gänzlich von meiner X-E1 und der 5D Mk. II. Es sind „richtige“ Kameras für Kleinbild- oder Rollfilm. ADOX, Robot, Zeiss-Ikon, alle sind sie Vertreter der leisen
Fotografie. Bis auf eine. Meinen "Neuerwerb". Es ist eine russische Mittelformat-Spiegelreflexkamera aus den Neunzigern des letzten Jahrhunderts, eine Kiev 60.
Sie sieht aus wie eine alte SLR auf Steroiden, und so klingt sie auch. Der über 2kg schwere Brocken gehört zu den poltrigen Typen, die man mögen muss. Kraftvoll, manchmal weniger präzise, dafür aber unverwüstlich.
Ihr Spiegelschlag, den man merklich spürt, lässt keinen Zweifel zu, dass ein Bild gemacht wurde. Man kann
hören, dass der Spiegel in seinem Gehäuse gewisse Luftmengen zur Seite schieben muss, um sich bewegen
zu können.

Das Geräusch klingt nicht so angestrengt wie das der modernen DSLR. Es ist ein kraftvolles „Flop“, wie ein „Platz da, jetzt komm ́ ich!“
Stative zittern und vibrieren unter der Beanspruchung. Der „schnarrend-tickige“ Filmtransport, der auch den Spiegelmechanismus spannt, lässt niemanden darüber im Unklaren, was gerade und was als nächstes passiert. Keine andere meiner Kameras macht Fotografie so deutlich hörbar.
Mit ihr zu fotografieren heißt, deutlich zu machen, was man tut. Man kann sicher sein, dass man auf diese „Maschine“ angesprochen wird.
Durch ihr etwas rabiates Auftreten, die Geräuschkulisse und die damit verbundene Aufmerksamkeit kommt man oft mit Menschen ins Gespräch. Es darf bezweifelt werden, dass dies mit einer normalen Allerweltskamera möglich wäre.
Als Fotograf über Geräusche zu reden, erscheint zunächst ungewöhnlich. Die Geräusche in der Fotografie aber sind für mich wichtig, sie gehören dazu, egal, ob sie laut oder leise sind. Sie begleiten den Moment auf dem Weg zu seiner Konservierung auf Speicherkarte oder Film.
Sie sind das Einzige, was wir vom Fotografieren wirklich mitbekommen, der einzige Hinweis, dass nun die Kameraelektronik oder Chemie des Films ihre Arbeit aufnimmt und wir etwas bewahrt haben, was sonst verschwunden wären. Ich wünsche Ihnen gute Ohren! Thomas Stelzmann, Düsseldorf
www.thomasstelzmann.de
Projekt „KEINE KOHLE MEHR“
www.keinekohlemehr.de


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