12 Fragen an Matthias Heiderich
Wir haben dem Fotografen Matthias Heiderich 12 Fragen zu seiner Fotografie, Inspiration und seiner Person gestellt!
1. Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Das ist eine gute Frage, auf die ich keine wirklich gute Antwort habe. Ich bin wohl relativ spät zur Fotografie gekommen.
Ich habe Computerlinguistik studiert und eigentlich erst nach dem Studium richtig mit dem Fotografieren angefangen. In meiner Freizeit war ich zwar immer gerne kreativ, meist hatte dies jedoch mit Musik zu tun. 2008 bin ich nach Berlin gezogen, habe mir eine Art Auszeit gegönnt und angefangen mehr zu fotografieren, um die Stadt besser kennenzulernen. Das war auch die Zeit, in der ich anfing die Fotos auf Flickr hochzuladen.
Dort entdeckte ich viele Fotografen, deren Stil mir zusagte und auch zu der Art Musik passte, die mir gefiel. So entwickelte sich das Ganze Schritt für Schritt weiter. Ich wurde ehrgeiziger, fand allmählich meinen eigenen Stil und habe diesen lange Zeit geradezu stoisch durchgezogen. Mit der Zeit wurden meine Fotos besser, es kamen erste Printanfragen und Auftragsarbeiten.
Ich beschloss, Fotograf zu bleiben und nicht mehr zur Computerlinguistik zurück zu kehren, da ich mir einen reinen Bürojob nicht mehr vorstellen konnte.
2. Was inspiriert dich?
Musik, Architektur, die Arbeiten anderer Fotografen und Künstler, die ich in Büchern, Ausstellungen und online entdecke – das sind in der Regel die Dinge, die mich dazu bewegen, ebenfalls kreativ zu werden.
3. Ist deine Fotografie Kunst oder klassische Architekturfotografie?
Meine Fotografie ist keine klassische Architekturfotografie, dafür ist sie zu wenig technisch und auch zu unpräzise. Allerdings bediene ich mich an Vorgehensweisen der Architekturfotografie, da ich Klarheit, Geometrie und Linien mag. Ob meine Fotos Kunst sind, liegt wohl im Auge des Betrachters. Sicherlich sind Farbgebung und Motive häufig eher frei gewählt und haben ausschließlich den Sinn, schön oder zumindest interessant auszusehen. Ich würde sagen, meine Fotografie ist eine künstlerische Herangehensweise an Architektur- und Stadtlandschaftsfotografie.
4. Welche Rolle spielt die Farbe blau in deiner Fotografie?
Die Farbe blau kommt in meinen Fotografien häufig vor, da der Himmel häufig zu sehen ist und dieser ist an den meisten Tagen bekanntermaßen blau. Sehr viele meiner Fotos zeigen reduzierte Architektur vor blauem Himmel. Er fungiert also ein bisschen wie eine Leinwand, die ich nutze, um darauf etwas zu zeigen, was ich spannend finde.
5. Blau ist eine kalte Farbe. In deinen Bildern gibt sie aber oft eher ein warmes Gefühl. Wie schaffst du das?
Blau ist nicht gleich blau, sondern ein ganzer Farbbereich. Besonders morgens und abends ist das Blau des Himmels wärmer als mitten am Tag. Dieses kalte Blau des Mittagshimmels, welches digitale Kameras sehr präzise abbilden, finde ich nicht sehr ansprechend und vermeide es daher in meinen Bildern. In der analogen Fotografie spürt man gleich viel mehr Wärme, daher schaue ich mir auch lieber analoge Fotografien an. Dennoch fotografiere ich öfter digital als analog.
Das Gute ist jedoch, dass man immer die Wahl hat, die Farbgebung zu beeinflussen. Schon während des Fotografierens selbst und in der Nachbearbeitung kann ich die Farbtemperaturen auf meine Weise beeinflussen. Dabei wird das kalte Blau in der Regel wärmer und weicher.
Ich nehme mir dort einige Freiheiten und genau das liebe ich am kreativen Arbeiten: die Freiheit.
6. Machst du spontane Aufnahmen oder fotografierst du nur wenn Licht, Schatten und Himmel passen? Wie suchst du dir deine Motive?
Sowohl als auch. Hier in Berlin gehe ich oft einfach los, wenn es zeitlich und wettertechnisch passt und schaue, was passiert. Dabei laufe ich ziellos umher und fotografiere, was mir gefällt. In einer anderen Stadt ist das in der Regel nicht so einfach, bzw. spielen dann bestimmte Faktoren wie die vorhandene Zeit eine Rolle. Die zu besuchenden Orte sind vorher ausgesucht und ich laufe von A nach B. Auf den Wegen dazwischen bieten sich zusätzlich gute Möglichkeiten, spontan etwas zu entdecken, was ich nicht auf dem Schirm hatte. Wenn die Lichtverhältnisse bei einem wichtigen Motiv nicht passen, versuche ich später noch einmal zurückzukehren. Dabei ist das Wetter definitiv oft Glückssache.
Von daher versuche ich die Sommermonaten zu nutzen und viel draußen zu sein, um Material zu sammeln, an dem ich im Winter arbeiten kann. Bei der Motivsuche geht es häufig um interessante Architektur in der jeweiligen Stadt. Da ich daran auch privat interessiert bin, freue ich mich, sie auch einfach nur anzuschauen. Ansonsten kommt für mich alles in Frage, was farbenfroh ist, eine interessante, ungewöhnliche Form hat oder eine seltsame Konstellation von Objekten darstellt. Meistens komme ich mit sehr vielen Fotos nach Hause, von denen nur sehr wenige weiterverarbeitet werden.
7. Deine Bilder wirken, als würden sie Geschichten von Gebäuden erzählen und lassen viel Raum für eigene Ideen. Was fasziniert dich an den Motiven, die du aussuchst?
Mich interessiert die Vielfalt der menschengemachten Umgebung, den Reichtum an Kreativität, die Ideen, die Leidenschaft, manchmal auch der Größenwahn, oder einfach nur die Verrücktheit, die bestimmte Gebäude widerspiegeln. Viele der neuen Gebäude, die einfach bloß effizient und funktional sein sollen, interessieren mich eigentlich kaum.
Es gibt aber eben auch noch die Gebäude, die so einen Spirit haben, dass man einfach nur davor steht und staunt oder den Kopf schüttelt und total fasziniert von den Details ist. Ich würde sagen, das ist im Wesentlichen das, was faszinierende Kunst ausmacht. Sie ist mutiger, kreativer, vielseitiger als der Mainstream; dennoch nicht als Statussymbol gedacht, sondern einfach nur Ausdruck großer Ideen und guter Arbeit. Architektur oder Objekte, die das widerspiegeln, finde ich als Motive schön. Dann geht es eben darum das Ganze in einer ansprechenden Form zu zeigen, wobei die Leistung eines Fotografen darin besteht, den Ausschnitt, die Lichtsituation, den Winkel zu wählen. Genau das macht für mich den Reiz des Fotografierens aus.
8. Was möchtest du mit deiner Fotografie zeigen?
Mit meiner Fotografie möchte ich in erster Linie meine eigene kreative Energie ausleben und in zweiter Linie etwas zeigen, was mich persönlich visuell angesprochen hat. Wie beschrieben, geht es mir kaum darum, Geschichten zu erzählen. Aufgrund der Menge an Fotos in ähnlichem Stil, entsteht jedoch eine Art eigene Geschichte oder Welt, die vermutlich meiner inneren Welt näher ist als die Welt, die mich tatsächlich umgibt.
9. Warum haben Menschen in deinen Bildern nichts verloren?
Wenn Menschen in Fotografien vorkommen, ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich. Man schaut die Fotos an und denkt über die Geschichte dieser Menschen nach und erfreut sich vielleicht noch zusätzlich an deren Ästhetik. Es geht dabei jedenfalls eher ums Erzählen und Geschichten über Menschen. Zugegebenermaßen sind das keine Themen, die mich beim Fotografieren sehr beschäftigen. Ich möchte keine Geschichten erzählen, sondern eher die kleinen Ausschnitte der Welt festhalten, die mich visuell befriedigen. Bei mir sind diese Ausschnitte eher menschenleer und auf wenige Elemente reduziert, um eine gewisse Ruhe auszustrahlen, die ich im Alltag suche und brauche, um einen klaren Kopf zu bekommen. Ehrlicherweise bin ich beim Fotografieren auch am liebsten allein, was sicherlich auf meinen Charakter zurückzuführen ist. Ich mag Menschen, jedoch nur in der richtigen Dosis.
10. Wie gehst du bei deiner Fotografie vor?
Ich bin kein großer Technikfreak. Meine Ausrüstung ist auch nach vielen Jahren sehr überschaubar und ich habe keine wahnsinnig teuren Kameras oder sehr viele unterschiedliche Objektive. Meistens bin ich auch ohne Stativ unterwegs. Im Rucksack habe ich eine DSLR mit Objektiven, die 16-100mm abdecken, Ersatzakkus, eine Rolleiflex und Mittelformatfilme, und dann eben noch ein Smartphone, mit dem ich sehr viel einfach nur dokumentiere. Ansonsten würde ich mein Vorgehen als intensives Schauen während des Gehens beschreiben. Dies ist für mich die ideale Geschwindigkeit um nichts zu übersehen und meine Umgebung zu scannen. Ich werde oft gefragt (besonders in Wohngebieten), ob ich etwas suchen würde oder ob man mir helfen könne. Dabei schaue ich mich im wahrsten Sinne einfach nur um. So funktioniert meine Fotografie – ich bin sehr oft draußen, fotografiere alles, was mir gefällt und ungefähr 1% dieser Fotos zeige ich der Öffentlichkeit. Manchmal glaube ich, Fotografieren ist eigentlich ein Nebenprodukt meines Drangs draußen zu sein und zu entdecken.
11 .Was machst du mit deinen Bildern?
Die meisten meiner Bilder verschwinden irgendwo auf meinen Festplatten. Die, die ich gelungen finde, poste ich in sozialen Medien. Ein kleiner Teil davon wird manchmal zu Prints, die ich verkaufe. In der Vergangenheit habe ich auch zwei Bücher veröffentlicht. Ich hoffe, dass in Zukunft noch weitere dazu kommen und es wieder häufiger Ausstellungen geben wird.
12. Abschließend: Fotografie ist für mich ?
die beste Methode um abzuschalten, in den Flow-Modus zu kommen und den Alltag auszublenden - kurz gesagt Eskapismus.
Mehr zu Matthias Heiderich:
www.matthias-heiderich.de